Die Maßnahmen gegen Corona zeigen erste Wirkungen! Einschätzung vom Donnerstag, 26. März

Pressemitteilung

[gemeinsam mit Tobias Hartl und Prof. Dr. Enzo Weber, Universität Regensburg] Seit Samstag dem 14. März finden keine Bundesligaspiele mehr statt, fast alle anderen Sportveranstaltungen einschließlich des Amateurbereichs wurden abgesagt, seit Montag den 16. März sind in fast allen Bundesländern Schulen und Kindergärten geschlossen. In vielen Universitäten wurden Prüfungen abgesagt. Ziel dieser Maßnahmen, die einem Bund-Länder Beschluss vom 13. März folgten, ist es, die Anzahl der sozialen Kontakte und damit der Infektionen und Neuerkrankungen an SARS-CoV-2 zu reduzieren. Gleiches gilt für weitere darauffolgende Maßnahmen wie Schließungen im Bereich Gastronomie und Unterhaltung sowie Ausgangsbeschränkungen.

Allgemeiner Tenor öffentlicher Aussagen von Virologen, Politikern und vielen Medienbeiträgen war es, man müsse nun einige Zeit abwarten, um zu sehen, ob die Maßnahmen greifen. Nun ist es soweit, dass wir statistisch gesichert sagen können, dass die Maßnahmen offenbar gegriffen haben!

Dabei sind gewisse Verzögerungen zu beachten, bis sich Maßnahmewirkungen in den Daten niederschlagen können: vor allem durch die üblichen Inkubationszeit, die um ca. 5 Tage streut (Linton et al., J. Clin. Med. 2020, 9, 538; doi:10.3390/jcm9020538, Lauer et al., Ann Intern Med. 2020 Mar 10. doi: 10.7326/M20-0504), aber auch durch den Gang zum Arzt oder die Dauer für einen Test.

Der durchschnittliche Zuwachs der Anzahl der Erkrankten vom 24. Februar bis 19. März liegt bei 27% pro Tag. Ab dem 20. März reduziert er sich um 13 Prozentpunkte auf 14%, das entspricht einer Halbierung. Die oben genannten Eindämmungsmaßnahmen haben also offenbar den Fortgang der Corona-Epidemie bereits deutlich verlangsamt. Angesichts der oben genannten Verzögerungen sind weitere Wirkungen in den nächsten Tagen möglich.

Wie kommen wir zu dieser Einschätzung, obwohl das Robert Koch Institut (RKI) gestern nicht von einem sichtbaren Rückgang der Zuwachsraten der Fallzahlen gesprochen hat? Wir verwenden die inzwischen weithin bekannten und weit verbreiteten Daten der Johns-Hopkins-Universität (https://coronavirus.jhu.edu/map.html). Diese unterscheiden sich von den Daten des RKI dahingehend, dass mehrere Datenquellen verwendet werden (siehe https://coronavirus.jhu.edu/map-faq.html), einschließlich von Medienberichten.

Ist die Datensammlung der Johns-Hopkins-Universität vertrauenswürdig? Das RKI sammelt amtliche Daten. Das führt zu großer Vertrauenswürdigkeit. Auf der anderen Seite wurde in den letzten Tagen klar, dass die Übermittlung der Daten nicht immer perfekt funktioniert und deswegen die Daten des RKI Schwankungen und Verzögerungen unterliegen, die genaue Analysen erschweren. Somit ist ein Rückgriff auf andere Datenquellen eine weitere Möglichkeit, eine Frage (haben die Maßnahmen etwas gebracht?) zu beantworten.  Unsicherheit, wie gut die Datenquellen insgesamt die Realität beschreiben, besteht in jedem Falle.

Natürlich ist auch eine Zuwachsrate von 14% pro Tag weiterhin Grund zur Sorge. Aber 14% sind viel weniger als 27%. Wie klar dieser Bruch ist, zeigt die folgende fast selbsterklärende Abbildung.

Auf der horizontalen Achse ist die Zeit aufgetragen, vertikal ist der Logarithmus der Anzahl der Infizierten. Der Logarithmus ist eine mathematische Funktion, der einen exponentiellen Wachstumstrend in eine Gerade umwandelt. Die Steigung der Geraden gibt dann die Wachstumsrate an. Diese Abbildung zeigt also die durchschnittliche Wachstumsrate von 27% bis zum 19. März mit der Steigung der Geraden durch die Beobachtungen (Kreise). Ab dem 20. März, gekennzeichnet durch die senkrechte gestrichelte Linie, ist die Steigung der Geraden eindeutig flacher, eben bei 14%. Deutlicher kann ein Test auf Strukturbruch nicht ausfallen. Die statistische Sicherheit, dass man mit der Annahme einer Trendabflachung keinen Fehler macht, liegt bei weit über 99,9%.

Ein solcher statistischer Test ist wichtig, denn selbst wenn die gemessenen Wachstumsraten an dem einen oder anderen Tag niedriger liegen sollten als zuvor, muss das kein systematischer, also andauernder Effekt sein. Einzelne Werte können auch stark durch Zufallseinflüsse bestimmt sein: gutes Wetter mit vielen Gruppentreffen im Freien, kurzfristig verfügbare Testkapazitäten oder Ferientermine sind nur einige davon. Beispielsweise sind vom 6. bis 10. März, also rund 10 Tage nach der Mitte der Faschingsferien mit vielen Österreich- und Italienurlaubern, deutlich erhöhte Werte bei den gemessenen Infektionen sichtbar.