Haben die Bund-Länder Beschlüsse etwas gebracht? Einschätzung vom Montag, 23. März

Pressemitteilung

[gemeinsam mit Tobias Hartl und Prof. Dr. Enzo Weber, Universität Regensburg] Seit Samstag dem 14. März finden keine Bundesligaspiele mehr statt, fast alle anderen Sportveranstaltungen einschließlich des Amateurbereichs wurden abgesagt, seit Montag den 16. März sind Schulen und Kindergärten geschlossen. In Universitäten wurden Prüfungen abgesagt. Ziel dieser Maßnahmen, die einem Bund-Länder Beschluss vom 13. März folgten, ist es, die Anzahl der sozialen Kontakte und damit der Infektionen und Neuerkrankungen an SARS-CoV-2 zu reduzieren. Gleiches gilt für weitere darauffolgende Maßnahmen wie Schließungen in Bereichen wie Gastronomie, Handel und Unterhaltung sowie Ausgangsbeschränkungen.

Allgemeiner Tenor öffentlicher Aussagen von Virologen, Politikern und in vielen Medienbeiträgen war es, man müsse nun einige Zeit abwarten, um zu sehen, ob die Maßnahmen greifen. Was bedeutet „einige Zeit“ und was bedeutet, dass die „Maßnahmen greifen“? Intuitiv ist die Antwort klar: Man möchte sehen, dass die Zuwachsraten der Anzahl der Erkrankten zurückgehen. Wie sieht man also, dass Wachstumsraten zurückgegangen sind? Reicht ein Rückgang von 3 Prozentpunkten über einen Zeitraum von 3 Tagen? Oder benötigt man einen Rückgang um 10 Prozentpunkte über einen Zeitraum von 2 Wochen, dass man sicher sagen kann, die Maßnahmen waren erfolgreich?

Um diese Fragen zu beantworten, braucht es etwas Zeit, nicht jedoch wegen der Komplexität der Fragen, sondern weil Effekte in den Daten verzögert auftreten und man genug Beobachtungen benötigt. Wenn die Maßnahmen tatsächlich dazu geführt haben, dass die Anzahl der Infektionen ab dem 14. März und in den folgenden Tagen zurückgegangen ist, dann könnte man erwarten, dass aufgrund der üblichen Inkubationszeit, die um ca. 5 Tage streut (Linton et al., J. Clin. Med. 2020, 9, 538; doi:10.3390/jcm9020538, Lauer et al., Ann Intern Med. 2020 Mar 10. doi: 10.7326/M20-0504), des Verstreichens von Zeit zwischen dem Wahrnehmen von Symptomen und dem Gang zum Arzt (1-2 Tage), möglicher Dauer für einen Test bis schließlich der Meldedauer zum Robert Koch Institut (1 Tag) mindestens 7-8 Tage ins Land gehen, bis erste Effekte sichtbar sein könnten. Man könnte also hoffen, dass man ab dem 22. März und in den folgenden Tagen niedrigere Zuwachsraten der Anzahl der gemeldeten Erkrankten feststellt – was vermutlich auf die Maßnahmen zurückzuführen wäre.

Sofern die Wachstumsraten am Wochenende sich tatsächlich als niedriger herausstellen sollten, wäre dies schon ein Zeichen, dass die Maßnahmen greifen, oder wären wir noch unsicher bezüglich der Effekte der Maßnahmen?

Um diese Frage beantworten zu können brauchen wir – noch etwas Geduld, leider. Wir haben einen üblichen statistischen Test verwendet, mit dem wir die Entwicklung der Anzahl der gemeldeten Erkrankten nach Robert Koch Institut zwischen 24. Februar und 21. März gut erklären können. Wir haben dann angenommen, es hätte tatsächlich am 21. März einen Bruch gegeben und die Wachstumsraten sind erheblich abgesunken (auf 75 oder 50 Prozent des vorherigen Niveaus). Damit können wir fragen, wie lange es dauert, bis man mit ausreichender statistischer Sicherheit sagen kann, dass die Maßnahmen gegriffen haben.

Wieso kann man nicht einfach auf die Wachstumsraten ab dem 22. März schauen und sieht dann, ob sie gesunken sind oder nicht? Selbst wenn die gemessenen Wachstumsraten an dem einen oder anderen Tag niedriger liegen sollten als zuvor, muss das kein systematischer, also andauernder Effekt sein. Einzelne Werte können auch stark durch Zufallseinflüsse bestimmt sein: gutes Wetter mit vielen Gruppentreffen im Freien, kurzfristig verfügbare Testkapazitäten oder Ferientermine sind nur einige davon. Beispielsweise sind vom 6. bis 10. März, also rund 10 Tage nach der Mitte der Faschingsferien mit vielen Österreich- und Italienurlaubern, deutlich erhöhte Werte bei den gemessenen Infektionen sichtbar.

Die Antwort ist, dass wir mindestens fünf Tage nach dem 22. März warten müssen, bis wir gesichert Aussagen treffen können. Wir werden gesichert also voraussichtlich ab dem 27. März wissen, ob die Maßnahmen, die von Bund und Ländern am 13. März getroffen wurden, tatsächlich erfolgreich waren.

Schon jetzt lässt sich aber statistisch gesichert sagen, dass sich die Wachstumsraten in der vergangenen Woche bereits abgeflacht haben, und zwar von 27 Prozent auf 21 Prozent pro Tag. Hier könnten erste Auswirkungen von Verhaltensänderungen am Arbeitsplatz oder Einschränkungen bei Veranstaltungen sichtbar werden.