(Kein) Grund zur Beunruhigung? Einschätzung vom 17. August

Die Einschätzung der aktuellen Lage fällt nicht sonderlich schwer. Beim Urlaubscheck schrieben wir, dass der Urlaubsverkehr plus die Schulöffnungen u.U. zu steigenden Infektionszahlen führen. Nun steigen die Infektionszahlen. Eigentlich nicht verwunderlich. Ist das ein Grund zur Sorge? Ganz zu Beginn dieses Blogs wurden mehrmals Wahrscheinlichkeiten angegeben, sich zu infizieren. Andere Darstellungen waren die Gruppengrößen – wie groß ist eine Gruppe, innerhalb derer sich im Schnitt pro Tag eine Person infiziert? Nun stellen wir eine ähnliche Überlegung an zur Beantwortung der Frage, ob man sich aktuell Sorgen machen muss. Die Antwort wird sein: Solange es weniger als 2842 Neuinfektionen pro Tag sind, muss man weiterhin vorsichtig sein, Abstand wahren, Mund-Nase-Schutz tragen, bei Symptomen zuhause bleiben, Testpflicht nachkommen, Quarantäne einhalten, den allgemeinen Regelungen Folge leisten, aber es gibt keinen wirklichen Grund zur Sorge. Woher kommt diese Aussage?

Als erstes braucht man für die Bewertung einer Situation eine Festlegung, was als optimal betrachtet wird. Oder zumindest eine Festlegung, was man erreichen möchte. Nehmen wir an, wir sind nicht besorgt, wenn es ungefähr ein ganzes Leben dauert, bis man sich einmal mit SARS-CoV-2 infiziert. In einem Leben von, sagen wir, 80 Jahren passiert so viel, da kommt es auf eine SARS-CoV-2 Infektion auch nicht an (man sollte allerdings eine Sterbequote von ungefähr 4% berücksichtigen).

Wenn die Gesellschaft diese eine Infektion als akzeptables Risiko in Kauf nimmt, dann können wir nun 83 Millionen Einwohner in Deutschland nehmen und diese auf 80 Jahre mal 365 Tage verteilen, dann haben wir 83.000.000/80/365 = 2842 Personen pro Tag. Wenn man sich also vorstellt, dass reihum jeder einmal infiziert wird, dann dauert es bei 2842 Neuinfektionen pro Tag 80 Jahre, bis alle Einwohner Deutschlands (im Schnitt) einmal (registriert) infiziert werden.

Ist das nun eine absurde Überlegung, oder dient sie zur Beruhigung? Was ist eine aktuell weithin akzeptierte Kenngröße? 50 Neuinfektionen über die letzten 7 Tage pro 100.000 Einwohner. Wenn dieser Wert überschritten wird, dann sind lokale Behörden auf Landkreisebene angehalten, soziale Kontakte zu beschränken. Diese 50 Neuinfektionen in 7 Tagen entsprechen ziemlich genau 7 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Tag. Das ist gleich 5810 Neuinfektionen pro 83 Millionen pro Tag. Also ist der aktuell verwendeten Schwellenwert (50 pro 7 Tage pro 100.000 Einwohner) noch viel entspannter als das Maß von oben mit 2842 Neuinfektionen pro Tag.

Ob jeder mit der Vorstellung, einmal im Leben an einer Infektion zu erkranken, die mit 4% Sterbewahrscheinlichkeit einhergeht, zufrieden ist – ob dies ein angemessener Preis ist für die relativen Freiheiten (und die damit einhergehende wirtschaftliche Erholung), die wir im Vergleich zu vor ein paar Monaten nun haben, das ist eine individuelle Überlegung. Da sich die Risikobereitschaft zwischen Menschen stark unterscheidet wird es also nie eine politische Einstimmigkeit zu „akzeptablen“ Neuinfektionszahlen geben. Aber man kann zumindest versuchen, ein Gefühl für die Bedeutung dieser Zahlen zu entwickeln.